James: Liebe Petra, vielen lieben Dank, dass Du Dich meinen Fragen stellst. Bevor wir auf deine Tätigkeit als Schriftstellerin und Autorin kommen, magst Du uns ein klein wenig Privates über Dich verraten? Wie sieht für Dich ein ganz normaler Tagesablauf aus?
Petra: Sehr gerne, ich freue mich! Mein „normaler“ Tagesablauf ist eigentlich gar nicht so spannend. Ich stehe auf, gehe mit meinem Hund Gassi, danach beginne ich im Büro zu schreiben. Wichtig ist dabei erstmal mein Kaffee. Spannender wird es eigentlich erst später. Ich schreibe im Grunde den ganzen Tag, manchmal auch nachts, was einfach daran liegt, dass ich mich dann am besten konzentrieren kann. Außerdem kann ich ohnehin nicht schlafen, wenn meine Figuren verrückt spielen.
James: Was ist Dein Lieblingsrückzugsort im Alltag? Gibt es ein Ritual, welches Du gerne pflegst?
Petra: Ich schreibe viel im Büro. Wenn das nicht hilft, dann ist so etwas wie mein Rückzugsort mein Garten. Dabei ist es auch egal, welche Jahreszeit wir haben, je nachdem hole ich mir eben eine Decke (Auch mein Hund freut sich, wenn er im Garten frei rumlaufen darf). Ein wirkliches Ritual habe ich dabei nicht, ich brauche aber auf jeden Fall einen Kaffee oder Wasser, das ist es auch schon bei mir.
James: Hat Deine Familie Dich schon früh in Deinem Wunsch Autorin zu werden unterstützt, oder welchen Traumberuf hattest Du als Kind?
Petra: Meine Familie hat mich erst dazu gebracht, meine erste Idee überhaupt zum Roman zu machen und bei einem Wettbewerb einzureichen, das bedeutet, dass der Impuls von ihnen kam, sie mich also von Anfang an unterstützt haben. Mein Mann ist auch nach wie vor der Erste, der jeden meiner Romane liest.
Ich habe schon als Kind geschrieben, damals zuerst nur, weil meine Großmutter mir Geschichten vorgelesen hat, bei denen mir nicht immer das Ende gefallen hat. Zuerst habe ich also mein eigenes Ende geschrieben. Das wurde immer mehr bis hin zu längeren Kurzgeschichten. Nachdem ich „etwas Richtiges“ mit der Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten gelernt hatte, kamen Geschichten erst mit dem Vorlesen meiner Kinder zurück in mein Leben. Ich begann eigene Geschichten zu schreiben mit meinen Kindern als Helden, die dann genau die richtige Länge hatten, sodass meine Kinder eine abgeschlossene Geschichte hören und danach beruhigt schlafen konnten. Danach dauerte es noch weitere Jahre, bis mein Mann mich endgültig ermutigte „Multiversum“ bei einem Wettbewerb einzureichen. Wäre das nichts geworden, dann hätte ich es gelassen. Ich habe den zweiten Platz gemacht und meinen Weg fortgesetzt.
James: War es Dein Wunsch ein Buch über die „goldenen 20er“ zu schreiben oder wie bist Du zu dieser Epoche gekommen?
Petra: Dieser Wunsch war tatsächlich schon lange in mir. Ich finde die Zeit extrem interessant, gerade wegen ihrer einzigartigen Gegensätze, die ich dann auch in meinem Grand versucht habe darzustellen. Diese Bejahung des Lebens nach dem Krieg, all der Glanz und der Schein, der oft genug ein Geheimnis verbarg. Gleichzeitig die Aufarbeitung mit dem Krieg, all die gesellschaftlichen und sozialen Probleme wie Armut, Schulden, alte Wunden aller Art. Für mich ist diese Zeit so interessant, dass ich gleich zehn Romane darüber schreiben könnte. Und ich habe auch vieles aus den Erzählungen meiner Großmutter eingebaut. Was genau, verrate ich aber nicht.

James: Was hat Dich schon immer an Hotels fasziniert oder wie kam es zu diesem genauen Thema?
Petra: Ein Hotel ist für mich der Ort einer spontanen Begegnung. Gerade wenn ich dabei an die 20er denke, dann denke ich an den Charme und den Glanz, das Bemühtsein um die richtige Etikette und ein ganz eigenwilliger Zauber, den ein Hotel so mit sich bringt. Bei einem Hotel-Aufenthalt kann alles mögliche passieren. Vielleicht trifft man zufällig jemanden, der das gesamte Leben auf den Kopf stellt, vielleicht erlebt man das Drama eines sich streitenden Ehepaares im Nachbarzimmer. Es sind kulturelle und soziale Welten, die aufeinander prallen. Außerdem hat mich gereizt, die Hintergründe des so vorbildlichen Personals zu beschreiben, die Geheimnisse, die sie verbergen. Ja, man kann also sagen, dass ich von Hotels sehr fasziniert bin.
James: Deine Figuren sind sehr gegensätzlich, genau wie die Handlungsorte, war dieser Kontrast von Anfang an geplant?
Petra: Ich plane insgesamt recht wenig bei meinen Figuren, aber dieser Kontrast war ganz bewusst so gesetzt. Wenn ich an die 20er denke, dann höre ich schrille Töne von Saxophonen und Trompeten. Ich wollte von Anfang an einen Gegenpol dazu bilden, was ich mit der Darstellung des ruhigen Binz und dem Akkordeonspieler getan habe. Ich finde, dass ein paar Töne die ganze Stimmung eines Ortes sehr gut wiedergeben können und genau das erreicht bei mir der Akkordeonspieler, der ruhig dasitzt und seine Melodien spielt. Spannend fand ich dabei auch die Reaktionen auf die Musik. Je nach der jeweiligen Stimmung meiner Protagonisten wird glücklich den Tönen gelauscht oder die Fensterläden werden genervt zugeknallt. Insgesamt drückt dieses wiederkehrende Thema aber die Ruhe und Geborgenheit von Binz aus.
Berlin bildet dabei logischerweise den krassen Kontrast. Alles ist, grell, laut, voll und irgendwie immer einen Tick zu viel. Die Dialoge sind hier härter, ebenso wie die Geschäfte. Dabei entwickelt sich eine spannende Dynamik zum Beispiel mit Constantin, der Berlin in sich aufnimmt und die eigenen Gesetze der Stadt gelernt hat. Hier bildet sich also der Kontrast zwischen dem Astor und dem Grand, aber eben auch zwischen Bernadette und Constantin. Genau dieses Aufeinanderprallen der unterschiedlichen Figuren und ihren Charakteren finde ich sehr spannend.
James: Auf was achtest Du besonders bei der Ausarbeitung deiner Figuren?
Petra: Zuallererst sollen meine Figuren menschlich sein. Ich bin kein Fan von Schwarz-Weiß-Malerei und auch nicht von dem peinlich genauen Figurenentwickeln, dazu lasse ich mich einfach zu gern von meinem Gefühl leiten. Ich möchte, dass man meine Figuren – egal, ob ihre Motive sympathisch wirken oder nicht – verstanden werden, dass sie alle Beweggründe haben, denen der Leser folgen kann. Deswegen erarbeite ich zwar vor dem Schreiben ein Konzept meiner Figuren, ich weiß aber genau, dass sie sich in dem Buch noch völlig anders entwickeln werden. Bei mir entsteht die Handlung erst während des Schreibens und ich glaube, dass ich Gefühle nicht glaubhaft rüberbringen könnte, wenn ich starr das eigentliche Konzept aufschreibe. Ich denke mir immer: Wenn ich selbst von der Handlung und den Entscheidungen der Figuren überrascht bin, dann ist es der Leser sicher auch!
Gerade bei diesem Roman kommt für mich noch ein weiterer Aspekt hinzu: Der Krieg. Ich finde es gleichzeitig abstoßend und faszinierend mir vorzustellen, wie viele große Geister im Krieg sinnlos gefallen sind, was sie noch hätten erreichen können und wie ihr Tod das Leben ihrer alten Gefährten und Familien geprägt hat. Ein so großer Einschnitt bewegt doch schließlich jeden und mir war sehr wichtig, bei den einzelnen Figuren mehr oder weniger direkt herauszuarbeiten, warum sie auf die Weise handeln, wie sie es tun und was ihr Hintergrund ist.
James: Wie verlief die Recherche zu deinem Roman? Ist etwas Unvorhergesehenes passiert oder hat sich auf einmal etwas ganz anders dargestellt?
Petra: Recherche ist bei mir so ein Thema für sich. Ich bin sehr schnell von einem Thema berauscht, wenn ich mich zum Beispiel in Dokumentationen oder direkt im Museum darauf einlasse. Mir fallen furchtbar viele Dinge ein, die man schreiben könnte und alles ist durcheinander. Erst nach und nach entsteht ein klares Bild von meinen Hauptfiguren, ihren Gegenspielern und der groben Handlung. Sehr geholfen hat mir der Besuch in Binz, weil ich das Gefühl hatte, hier wirklich etwas von der Ruhe mitnehmen zu können, die dieser Ort ausstrahlt. Alleine den langen Steg entlang zu gehen und die Schritte zu zählen, war für mich pure Entspannung, ein Ort, an dem man über alles nachdenken kann. Ansonsten habe ich, wie schon gesagt, viele Dokumentationen angesehen, was mir persönlich sehr hilft, weil ich natürlich auch geschichtliche Ereignisse einbaue, vor allem aber Stimmungen wiedergeben will und das geht für mich am besten, wenn ich die Musik der Zeit gehört und den Rhythmus der Menschen in zusammengeschnittenen Filmen und Bildern gesehen habe. Nachdem mir der grobe Einfall kam, den Gegensatz zwischen Binz und Berlin herauszustellen, kam es wie immer: Meine Figuren spielten verrückt. Meine Verlage, bei denen ich veröffentliche, wissen inzwischen, dass es wenig Sinn hat, wenn ich ein ausführliches Exposé anfertige, da am Ende immer etwas Unvorhergesehenes passiert. Hier zum Beispiel war Marie eine Figur, die mich immer wieder überrascht hat. Auch Bernadette ist für mich jemand, der sich immer wieder neu erfindet, ohne sich selbst dabei vollständig zu verlieren. Durch diese Dynamik drehte sich gleich mehrfach vollständig die Handlung, was es aber erst so spannend machte.
James: Besonders im Hotel Astor gibt es besonders Vorkommnisse. Beruhen die auf wahren Begebenheiten oder sind sie frei erfunden?
Petra: Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. Ich habe viel über die organisierte Kriminalität zu der Zeit durchgelesen. Die Ringvereine zum Beispiel und viele der Methoden, sowohl beim Durchführen der Geschäfte als auch bei dem Eintreiben von Geldern und der Art der einzelnen Geschäftszweige, waren tatsächlich so vorhanden. Besonders der einzigartige Status, den sich Gangster zu der Zeit erarbeiten konnten, nämlich nicht nur reich zu werden, sondern auch begehrt zu sein, die besten Tische in den besten Restaurants zu bekommen und dabei häufig unangetastet zu bleiben, war für mich erstaunlich. Einen Constantin von Plesow hat es selbstverständlich nie gegeben und in der Folge ist alles um seine Figur frei erfunden, aber das Eigenleben, das die organisierte Kriminalität einnahm und wie es gelang, Hotels, Restaurants und andere Etablissements zu beherrschen und weitgehend frei vom Gesetz dennoch kaum Strafen zu fürchten, das ist tatsächlich so.

James: Was ist dir besonders schwer gefallen bei diesem Roman? Gab es eine Szene, die Du nicht gerne geschrieben hast?
Petra: Gleich mehrere! Ich möchte jetzt natürlich nicht zu sehr ins Detail gehen, aber mir fällt da eine Szene mit Marie und eine weitere relativ am Ende ein, bei der ich mehrfach unterbrechen musste, weil ich vor lauter Tränen nichts mehr sehen konnte. All die Verzweiflung, die ich beschreiben musste, die Sinnlosigkeit, Trauer und Hoffnungslosigkeit, war wirklich schwierig für mich. Sie ist mir dadurch nicht wirklich schwer gefallen, weil natürlich auch solche Aspekte zum Leben und dadurch auch zum Buch dazugehören, aber deswegen lasse ich meine Figuren natürlich dennoch nicht gerne leiden. Für mich ist es, als würde einen engen Freund ein Schicksalsschlag treffen. Das klingt immer extrem, aber es ist wirklich so. Allerdings denke ich auch hier, dass, wenn ich so mit meinen Figuren mitfühle und sie in so schweren Zeiten begleite, der Leser es ebenso tut und auch das eine oder andere Tränchen verdrückt.
James: Und was hat Dir besonders viel Spaß gemacht? Gab es vielleicht etwas, was sich spontan ergeben hat und im Vorfeld nicht geplant war?
Petra: Ich liebe Bernadette und sie ist insgesamt meine absolute Lieblingsfigur, aber ich finde, dass Constantin einen ganz eigenen Charme hat. Ich fand es toll, mich in ihn hineinzufühlen und zu fragen, warum er wie handelt. Constantin ist ein Schachspieler, ein strategisches Genie mit einem ganz feinen Humor und einem riesigen Ego. Für mich sind das Menschen, die man im echten Leben nicht um sich haben möchte, die aber einen großen Reiz ausstrahlen. Constantin ist auch nicht grundlos so geworden, wie er heute ist. Und obwohl seine Taten natürlich drastisch sind, ist er nur ein Teil eines riesigen Systems, das ihn so werden lässt. Bei Constantin ist wichtig, dass er zwar arrogant und skrupellos ist, aber auch zielstrebig, klug und ehrgeizig und dabei seine selbst gesetzten Werte – die sich sehr vom normalen Wertbereich unterscheiden – nie verrät. Deswegen habe ich die Szenen mit Constantin geliebt, es war wie das dauerhafte Spiel mit dem Feuer und ich selbst habe mich gefragt, wann sich jemand verbrennt.
James: Das Grand Hotel ist als opulente Familiensaga angekündigt, auf wie viele Bände dürfen wir Leser uns freuen? Schreibst Du schon fleißig am nächsten Band?
Petra: Wir müssen natürlich erstmal schauen, wie sich das Grand denn so auf dem Buchmarkt macht. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir alle Bernadette und Co. weiter begleiten dürfen. Eine genaue Zahl an Bänden ist dabei gar nicht festgelegt, das ist wie so vieles bei mir eine natürliche Sache, ich möchte keine Reihe nur schreiben, um sie fortzuführen, sondern weil es wirklich noch etwas zu erzählen gibt.
James: Dürfen wir uns auch noch über neue Literatur von Petra Mattfeldt und Ellin Carsta freuen?
Petra: Aber natürlich! Als Petra Mattfeldt plane ich gerade einen Roman, da bin ich aber noch ganz am Anfang. Ansonsten bin ich als Petra Mattfeldt vor allem erstmal mit meinem Verlag (Maximum Verlags GmbH) beschäftigt und arbeite auch dort an vielen tollen Romanen, wenn auch von anderen Autoren.
Wenn wir gerade bei Reihen sind, dann ist da natürlich meine Hansen-Saga zu erwähnen, die fleißig fortgeführt wird. Hier könnt ihr euch dieses Jahr auf ganze drei Bände freuen, die wie immer bei Tinte und Feder (Amazon Publishing) erscheinen. Ansonsten sind mehrere Bücher in Planung, ich kann dazu aber noch nicht mehr verraten. Ich habe aber auf jeden Fall noch einiges zu erzählen!
James: Was möchtest Du uns Lesern mit auf dem Weg geben? Bzw. was wolltest Du uns schon immer mal sagen?
Petra: Puh, schwierige Frage. Ich neige an sich wenig dazu, Lesern große Ratschläge mit auf den Weg zu geben, denn ich denke, wir unterscheiden uns nicht so weit voneinander. Alles, was ich nach dem, was ich mit dem Schreiben raten kann, ist: Tut auf jeden Fall das, was euch glücklich macht. Unsere Lebenszeit ist, ganz gleich, wie lange sie dauern mag, begrenzt. Lebt, lacht, liebt – genauso halte ich es auch. Und das gern auch mit euch!
James: Vielen herzlichen Dank für dies ausführliche und sympathische Interview und die Zeit, die Du Dir genommen hast ❤