Marita Spang / Marie Lacrosse – Interview Teil I

Eliza: Liebe Marita, vielen lieben Dank, dass Du Dich meinen Fragen stellst. Bevor wir auf deine Tätigkeit als Schriftstellerin und Autorin kommen, magst Du uns ein klein wenig Privates über Dich verraten? Wie sieht für Dich ein ganz normaler Tagesablauf aus?

Marita Spang: Mein Tagesablauf hat sich gerade erheblich verändert. Im Augenblick arbeite ich nur noch zu ca. 25% meiner Arbeitszeit als Beraterin. Mein normaler Tagesablauf sieht folgendermaßen aus:

  • 6.30 Uhr aufstehen
  • spätestens 9 Uhr im Büro
  • 9 bis 11 Uhr mind. schreiben an meinem aktuellen Buch
  • 11 bis 13.45 Uhr Arbeit je nach Bedarf (dies können kleine Aufgaben sein, wie z.B. Mails beantworten oder größere Aufgaben, wie z.B. einen Workshop als Beraterin vorbereiten)
  • 13.45 bis 15 Uhr gemeinsame Mittagspause mit meinem Mann
  • 15 bis ca. 19 Uhr: Was gerade so anliegt; ich arbeite streng nach Zeitmanagement-Kriterien, dies bedeutet, ich erledige zuerst die wichtigsten Aufgaben (im Augenblick das Weiterschreiben), dann mache ich dazwischen einige Perioden mit nicht so wichtigen Aufgaben und spätestens am Nachmittag, falls es ansteht, eine weitere Zeiteinheit mit wichtigen Aufgaben.
  • Seit ich unter zwei Autorennamen schreibe, nimmt auch das Marketing im Moment sehr viel Raum ein, z.B. die Überarbeitung meiner Kombi-Website.
  • ab 19 Uhr: Wenn es gut geht Feierabend; mein Mann kommt oft erst um 20 Uhr aus der Praxis.
  • Abendbeschäftigung: Gartenarbeit oder Walken oder Fernsehen etc.

Anmerkung: Dies ist ein normaler Tagesablauf, wenn ich zu Hause bin. Da ich jedoch immer noch Trainings- und Beratungstermine wahrnehme, war ein solcher Tagesablauf bis vor wenigen Monaten für mich eher die Ausnahme als die Regel.

Quelle: http://www.droemer-knaur.de

Eliza: Interessant. Was ist Dein Lieblingsrückzugsort im Alltag? Gibt es ein Ritual, welches Du gerne pflegst?

Marita Spang: Einen bestimmten Lieblingsrückzugsort habe ich nicht. Wenn mich jedoch tagsüber etwas beschäftigt hat, was ich noch nicht ganz verarbeitet habe, und das Wetter es zulässt, arbeite ich abends gerne in meinem Garten. Einige schöne Rituale sollte ich mir wieder einmal zulegen.

Eliza: Hat Deine Familie Dich schon früh in Deinem Wunsch Autorin zu werden unterstützt, oder welchen Traumberuf hattest Du als Kind?

Marita Spang: Mir fällt immer wieder auf, wie viele AutorenkollegInnen erzählen, dass sie schon als Kind Geschichten geschrieben oder zumindest erfunden haben. Dies gilt für mich überhaupt nicht. Ich habe zwar für mein Leben gerne gelesen, aber bis ich ca. Mitte 20 war und bereits meinen Traumberuf als Psychologin ausgeübt habe, nie daran gedacht, selbst ein Buch zu schreiben. Auf die Idee bin ich eigentlich nur deshalb gekommen, weil in den 80ziger und 90ziger Jahren in meinem Lieblingsgenre „Historische Romane“ so viel Schrott aufgetaucht ist, dass es mich zu ärgern begann. Trotzdem habe ich mir zunächst nicht zugetraut, einen historischen Roman zu schreiben und deshalb mit einem Regiokrimi angefangen. Ursprünglich glaubte ich nicht, neben meiner Berufstätigkeit als psychologische Unternehmensberaterin auch noch aufwändige Recherchen schaffen zu können. Heute weiß ich, dass mir das gar nicht schwer fällt bzw. sogar Spaß macht.

Eliza: Du hast Psychologie studiert und auch promoviert. Dies hilft Dir doch sicherlich bei der Ausarbeitung des Plots und der Charaktere, oder?

Marita Spang: Das ist richtig, liebe Eliza. Zu dem, was mich bei vielen Romanen bis heute ärgert, gehören an erster Stelle psychologisch unglaubwürdige Charaktere. Beim Plot spielt die Psychologie eigentlich weniger eine Rolle, das mache ich im Augenblick immer noch instinktiv.

Bezüglich meiner Charaktere habe ich allerdings auch schon die Erfahrung gemacht, dass manche, psychologisch nicht gebildete Leser und Leserinnen sehr schwarzweiß denken und bestimmte Persönlichkeiten und deren Entwicklungen nicht nachempfinden können. Aber das ist wahrscheinlich auch das Geheimnis, warum es selbst unter den Bestseller-Romanen so viele mit eigentlich unglaubwürdigen Hauptfiguren gibt.

Eliza: Ich schätze an Deinen Figuren sehr, dass sie mehrdimensional angelegt sind und verschiedene Facetten zeigen. Liegt Dir dies besonders am Herzen?

Marita Spang: Das hast du perfekt auf den Punkt gebracht. Es ist mir ein Herzensanliegen.

Eliza: Mit Deinem ersten Roman „Hexenliebe“ hast Du Dich noch eines sehr beliebten Themas unter den historischen Romanen bedient. Aus welcher Überzeugung hast Du diesen, deinen ersten  Roman geschrieben? Oder war dieser Roman nur der Erste der verlegt worden ist, aber in der Schreibtischschublade schlummert noch Dein eigentlicher Erstling?

Marita Spang: An den Roman „Hexenliebe“ bin ich sehr naiv herangegangen. Ich habe mir überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, dass dies ein sehr beliebtes bzw. schon oft beschriebenes Thema ist. Mich hat einfach die Kerngeschichte fasziniert, die ich auf dem sogen. Hexentanzplatz in Neuerburg bei einer Wanderung fand. Da mich das Thema schon immer interessiert hat und ich auch dazu viele schlechte Romane gelesen habe, begann ich zu recherchieren. Dabei erfuhr allerdings, dass ich sehr viel noch nicht wusste.

Mein eigentlicher Erstling ist ein Regiokrimi, den ich heute allerdings nur noch beiläufig erwähne, obwohl er bei den Lesern ebenfalls gut ankam. Krimis oder Thriller möchte ich zumindest im Augenblick nicht mehr schreiben.

Die Frauenbburg (Quelle: Marita Spang)

Eliza: Mit „Blut und Seide“ sowie mit „Die Frauenburg“ bleibst Du dem Setting von historischen Romanen treu. Welches ist denn Deine Lieblingszeit oder Dein Lieblingsjahrhundert?

Marita Spang: Ich habe weder eine Lieblingszeit noch ein Lieblingsjahrhundert. Auch die Kerngeschichten von „Blut und Seide“ und der „Frauenburg“ haben mich gefunden. Natürlich ist das Mittelalter eine faszinierende und auch oft falsch beschriebene Zeit. Das hat mich am Schreiben von Mittelalterromanen gereizt.

Allerdings bin ich mit diesem Zeitalter im Augenblick sogar „durch“. Die jüngere Geschichte (z.B. der Deutsch-Französische-Krieg aus meinem Weingut, Band 1, unter Marie Lacrosse) hat mich weit mehr fasziniert und liegt mir auch näher als das Mittelalter.

Eliza: Welche Rolle spielen die historischen Persönlichkeiten und Fakten für Dich?

Marita Spang: Hier versuche ich, die gute Mitte zu finden. Ich möchte kein historisches Sachbuch schreiben, deswegen lasse ich Fakten, die ich für unbedeutend für den Spannungsbogen halte, oft weg. Zugunsten dieses Spannungsbogens erlaube ich mir manchmal auch, echte historische Begebenheiten in die Zeit meines Romans „umzuverlegen“. Dafür ein Beispiel: Der in der „Frauenburg“ beschriebene Judenpogrom in Kirchberg fand so tatsächlich statt, allerdings ein Jahrzehnt später, als sich Loretta bereits aus der Regentschaft zurückgezogen hatte.

Bei historischen Persönlichkeiten halte ich mich dagegen weitestgehend an die Fakten und versuche, ihr Leben zumindest chronologisch nachzustellen. Ich freue mich aber immer über Löcher in den Quellen, da ich mir dann selbst überlegen kann, wie diese historischen Persönlichkeiten möglicherweise gefühlt und gedacht haben.

Außerdem ist mir mittlerweile sehr klar geworden, dass die meisten, sehr bekannten historischen Persönlichkeiten sehr vielschichtige Charaktere waren. Man kann z.B. Jeanne d’Arc, über die ich noch nicht geschrieben habe und auch nicht schreiben werde, tatsächlich aus zwei Perspektiven betrachten und sie daher mögen (als mutige Volksheldin) oder ablehnen (als fanatische Kriegstreiberin). Ich mag sie übrigens nicht.

Eliza: Die gelungene Vermischung von Fakten und Fiktion ist sicherlich für einen Autor historischer Romane wichtig. Wie gehst Du dieses „Problem“ oder besser gesagt diese Herausforderung an?

Marita Spang: Interessanterweise war es noch an keiner Stelle eine Herausforderung für mich, einen Plot aus Fakten und Fiktion zu erstellen. Im Gegenteil kommen im Rahmen meiner Recherchen, also der Inspektion der Fakten, bereits die ersten Ideen auf, welche fiktiven Teile ich dazu fügen könnte. Auch wenn dies vielleicht ein Thema ist, was manche für „abgedroschen“ halten, war mir z.B. sofort klar, dass ich die krassen Gegensätze in der Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts am besten durch eine fiktive Liebesgeschichte zwischen einem Großbürgersohn und einer Frau aus der Unterschicht (hier einem Dienstmädchen) beschreiben kann.

Eliza: Wie lange dauert ungefähr die Recherchephase für ein Buch und wieviel Fachliteratur liest Du, bist Du das Gefühl hast Dich in diese Zeit hineinversetzen zu können?

Marita Spang: Ich kann die Dauer einer Recherchephase für ein Buch eigentlich nur relativ ungenau angeben. Wenn ich ein Exposé erarbeite, lese ich sehr intensiv ungefähr 4 bis 6 Wochen lang (allerdings immer nebenbei, also neben dem Schreiben eines Buches und/ oder meiner Beratertätigkeit). Wenn ich bis dahin noch keine Idee entwickelt hätte, wie ein Buch aussehen könnte, würde ich es bleiben lassen. Ist jedoch bisher noch nicht vorgekommen.

Hat der Verlag dann ein Buch gekauft, ist die intensivste Detail-Recherchephase natürlich, bevor ich zu schreiben beginne. Dauer: ca. 2 Monate. Überall spielt selbstverständlich seriöse Fachliteratur für mich eine große Rolle. Während des Schreibens recherchiere ich immer wieder Details nach, wie z.B. im Augenblick beim Band 2 des Weinguts, wie genau sich der Weinbau im 19. Jahrhundert im Vergleich zu heute darstellte.

Die Stadtmauer und das Bitscher Tor, wo die Schlacht um Weißenburg tobte. (Quelle: Marita Spang)

Eliza: Unter Deinem Pseudonym Marie Lacrosse wagst Du Dich erstmals in das Genre der Familiensagas. War dies geplant oder ist die durch Zufall entstanden? Was war die Idee hinter diesem Roman?

Marita Spang: Interessanterweise ist die Buchidee zum Weingut die einzige, die ich nicht selbst hatte. Meine damalige Programmverantwortliche legte mir nahe, mich einmal um die Zeit des Deutsch-Französischen-Krieges zu kümmern. Anfangs fand ich das gar nicht spannend. Je mehr ich mich jedoch in dieses Zeitgeschehen hineingelesen habe, desto mehr faszinierte es mich.

Als der Verlag, aus dem der Vorschlag ursprünglich kam, dann aber das Interesse an diesem Buch verlor (auch weil ich aus dem anfangs einteilig geplanten Roman einen Zweiteiler machen wollte), entstand die Idee der Familiensaga bei Goldmann, der die beiden Bände kaufte. Und siehe da, ich stellte fest, dass es sogar ganz hervorragend passt.

Natürlich arbeite ich jetzt den ein oder anderen Aspekt, der ursprünglich so nicht geplant war, in meinen 2. Band ein. Die Idee hinter beiden Romanen war es jedoch immer, charakteristische Motive der Zeit ab 1870 darzustellen, z.B. den für heutige Verhältnisse krassen Nationalismus, die schrecklichen Lebensverhältnisse der Arbeiter (ein Hauptmotiv des Bandes 2), die Zustände in der Psychiatrie und bei Band 1 vor allen Dingen die Folgen dieses eher unbekannten, aber dennoch entsetzlichen Krieges für die normale Bevölkerung.

Eliza: Mit dem 19. Jahrhundert betritts Du nun neues Terrain. Was war einfacher zu recherchieren, Mittelalter oder Neuzeit?

Marita Spang: Anders als z.B. meine geschätzte Schriftstellerkollegin Sabine Weigand habe ich weder mein Schullatein behalten noch wäre ich in der Lage, alte Originalschriften in Mittelhochdeutsch o.Ä. zu lesen. Beim Mittelalter war ich also auf die moderne historische Forschung angewiesen, die jedoch ebenfalls so reichhaltig ist, dass ich kaum Probleme hatte, mich in ein Geschehen einzudenken. Nur über meine historische Figur des Michels in „Blut und Seide“ gab es nur ca. 10 Seiten Stoff.

In der Neuzeit erschlägt mich vor allen Dingen die Fülle der verfügbaren Literatur. Hier gilt es, eine Auswahl zu treffen. Außerdem empfinde ich sehr viel der Fachliteratur als ausgesprochen trocken. Andererseits gibt es sehr viel mehr authentische Augenzeugenberichte. Zwar gab es die auch schon zu Zeiten von „Hexenliebe“, z.B. die Cautio criminalis von Friedrich von Spee, aber was ich für meine im 19. Jahrhundert spielenden Romane auch an Augenzeugenberichten „ertragen“ musste (insbesondere für die beiden Bände des Weinguts) hat mich schon häufig bis in Alpträume hinein verfolgt.

Fortsetzung folg…